Wie sieht nun die Praxis einer Suizidbegleitung aus? Wie läuft sie ab?
Hier erhalten Sie Informationen zu Methoden, Medikamenten, zur Vorbereitung und zum Ablauf der Freitodbegleitung. An dieser Stelle wird eine professionelle Sterbehilfe durch Ärzt:innen oder Sterbehelfende vorgestellt. Informationen zum Freitod ohne professionelle Begleitung finden Sie im Abschnitt „Selbstbestimmt und ohne Arzt.“
Methoden und Medikamente in der Sterbehilfe
Da Natrium-Pentobarbital (NaP) in Deutschland für die Sterbehilfe nicht erhältlich ist, weichen Sterbehelfer:innen auf alternative Mittel aus, die nach dem Arzneimittelgesetz zugänglich sind und auch für die Freitodbegleitung eingesetzt werden können. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 07.11.2023 den Zugang zu NaP zwar weiterhin versperrt, aber darauf hingewiesen, dass andere Mittel, die dem Arzneimittelgesetz unterliegen, für die Sterbehilfe zugänglich sind.
Infusionsmethode
Der ärztlich assistierte Suizid erfolgt in Deutschland in der Regel durch eine Infusion. Dazu bereitet der Arzt eine Infusionslösung mit einem tödlich überdosierten Medikament vor. Anschließend legt er einen Venenzugang für die Infusion. Nach einer letzten Klärung des festen Sterbewunsches kann der Sterbewillige dann die Infusion selbst öffnen. Es ist zwingend, dass dieser letzte, zum Tode führende Schritt von der sterbewilligen Person selbst ausgeführt wird. Niemand anderes darf dies für sie tun. Würde eine andere Person auf Wunsch des Sterbewilligen die Infusion mit dem tödlich wirkenden Mittel öffnen, wäre dies aktive Sterbehilfe, auch „Tötung auf Verlangen“ genannt, die nach § 216 Strafgesetzbuch strafbar ist. Dieser Straftatbestand ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedroht.
Die Infusionsmethode ist eine sehr sichere Methode. Nach dem Öffnen der Infusion schläft die sterbewillige Person nach kurzer Zeit (ca. 1 – 2 Minuten) ein, ähnlich wie bei einer Narkose. In diesem narkoseähnlichen Zustand tritt nach wenigen Minuten der Atemstillstand und nach weiteren Minuten der Herzstillstand ein. Die Infusionsmethode ermöglicht ein schnelles, sicheres und sanftes Sterben.
Die Infusion beginnt zu laufen.
Orale Methode – Einnahme von Medikamenten
Da in Deutschland Natrium-Pentobarbital (NaP) nicht zur Verfügung steht, greift man für die Sterbehilfe bei der oralen Methode auf eine Kombination von mehreren Medikamenten zurück, die hierzulande verfügbar sind.
Bei der oralen Methode nehmen die Sterbewilligen selbstständig eine Mischung aus mehreren Medikamenten ein. Die sterbewillige Person muss in der Lage sein, eine größere Menge von pulverisierten Tabletten in Wasser gelöst zu trinken, auch wenn diese Lösung sehr bitter schmeckt.
Da bei der oralen Methode die Gefahr des Erbrechens besteht, muss die richtige Dosis eines Anti-Brechmittels (mehrmals) im richtigen zeitlichen Abstand eingenommen werden. Erst dann kann die Mischung aus mehreren Medikamenten eingenommen werden, die zum Tod führt.
Die Sterbehelferinnen und Sterbehelfer bringen am Tag der Freitodbegleitung die entsprechenden Medikamente mit und überwachen die korrekte Einnahme.
Bis zur Bewusstlosigkeit und zum Herzstillstand dauert es bei dieser Methode länger als bei der Infusionsmethode. Über den zeitlichen Verlauf gibt es keine allgemeingültigen Angaben. Man kann jedoch von einer Zeitspanne von ca. 20 Minuten bis zu mehreren Stunden bis zum Herzstillstand ausgehen.
Sterbewillige nehmen das tödlich wirkende Mittel selbst ein.
Verbreitung der Methoden in der Sterbehilfe-Praxis
Die Infusionsmethode mit Ärzt:innen als Sterbehelfende ist die am häufigsten angewandte Methode für die Suizidhilfe in Deutschland.
Der Verein Sterbehilfe e. V. arbeitet allerdings neben der Infusionsmethode auch mit der oralen Methode.
Informationen zum Ablauf einer Suizidhilfe
Unterzeichnung von Dokumenten:
Freitoderklärung und Entbindung von der Garantenpflicht
Am Tag der Suizidassistenz unterschreibt die sterbewillige Person zunächst einige Dokumente. Sie gibt eine schriftliche Erklärung ab, in der sie erklärt, dass sie aus eigenem Willen aus dem Leben scheidet und niemand sie dazu drängt. (Freitoderklärung)
Generell besteht eine Hilfspflicht (Garantenpflicht), Menschen in Not zu helfen. Ärzt:innen und Angehörige haben eine Garantenstellung und damit verbunden eine verstärkte Hilfspflicht. In einer weiteren schriftlichen Erklärung werden deshalb alle bei der Freitodbegleitung Anwesenden von der Garantenpflicht entbunden.
Der Bundesgerichtshof hatte in dieser Frage bereits 2019 entschieden, dass Ärzt:innen im Rahmen eines assistierten Suizids nicht verpflichtet sind, die Sterbewilligen nach Eintritt der Bewusstlosigkeit zu retten.
„Beide Angeklagte waren nach Eintritt der Bewusstlosigkeit der Suizidentinnen auch nicht zur Rettung ihrer Leben verpflichtet.“
Aus dem Urteil des BGH von Juli 2019
Tatherrschaft
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) hat klare Kriterien für die Unterscheidung zwischen strafbarer Tötung und strafloser Hilfe zur Selbsttötung festgelegt. Entscheidend ist, wer die Kontrolle über den lebensbeendenden Akt ausübt. Wenn der Sterbewillige selbst die Handlung vornimmt und dabei die freie Entscheidung über sein Schicksal behält, liegt eine Selbsttötung vor, auch wenn diese mit Hilfe eines Dritten erfolgt. In einem solchen Fall wird die Handlung des Dritten als straflose Hilfe betrachtet.
Dies spiegelt sich in der Entscheidung des BGH wider, in der die Selbstbestimmung des Einzelnen und das Recht auf einen würdevollen Tod betont werden. Die Rechtsprechung erkennt an, dass die Unterstützung bei der Selbsttötung nicht gleichzusetzen ist mit einer Tötung durch einen Dritten, was eine wichtige Unterscheidung im Bereich der Sterbehilfe darstellt.
Können Angehörige bei der Suizidhilfe anwesend sein?
Die Vereine stellen es den Sterbewilligen in der Regel frei, wer bei der Freitodbegleitung anwesend sein soll.
Zu den Vorgesprächen können Angehörige oder nahestehende Personen hinzugezogen werden. Die Sterbehelferinnen und Sterbehelfer können aber auch Teile der Gespräche ohne die Anwesenheit von Angehörigen führen, um sicherzustellen, dass die sterbewillige Person frei sprechen kann. Dies ist vor allem wichtig, um Druck durch Dritte erkennen und ausschließen zu können.
Der allgemeine Rat an Sterbewillige lautet:
Beziehen Sie Ihre Angehörigen ein. Sprechen Sie mit ihnen über Ihre Überlegungen und Entscheidungen zum Lebensende.
Gerade wenn der Wunsch nach Lebensbeendigung für die Angehörigen überraschend kommt, kann es zu emotionalen Reaktionen und zunächst zur Ablehnung der Pläne kommen. In vielen Fällen gelingt es jedoch, in ausführlichen und wiederholten Gesprächen Verständnis für den Sterbewunsch zu entwickeln. Dies gelingt am ehesten, wenn die Angehörigen nicht zu kurzfristig einbezogen werden und noch genügend Zeit haben, sich mit der Tatsache auseinanderzusetzen, dass ihr Angehöriger demnächst sein Leben beenden will und wird.
Dies entspricht dem allgemeinen Vorgehen, Details werden im Einzelfall zwischen Sterbewilligen und Freitodhelfenden besprochen.
Was geschieht wenn die Person verstorben ist? Muss die Kriminalpolizei gerufen werden?
Bei einem begleiteten Suizid handelt es sich um eine
unnatürliche Todesart.
Ist eine Person verstorben, muss ein Totenschein ausgestellt werden. Hier stellt sich dann die Frage nach der Todesart. Die Todesart ist zu unterscheiden von der Todesursache. Es gibt eine Vielzahl von Todesursachen, wobei es sich um eine medizinische Frage handelt. Die Frage nach der Todesart ist eine juristische Frage. Es gibt nur zwei Todesarten – natürliche Todesart oder unnatürliche (auch nicht-natürliche) Todesart.
Was passiert, wenn eine Person eines unnatürlichen Todes stirbt?
Ist eine Person in Deutschland verstorben, regeln die bestehenden Gesetze das auf den Todesfall folgende Vorgehen. Eine unnatürliche Todesart liegt z. B. vor, wenn der Tod aufgrund von Suizid oder Unfällen eingetreten ist. In diesen Fällen muss unverzüglich die Kriminalpolizei informiert werden. Dies regelt ein Gesetz:
§ 159 StPO (Strafprozessordnung) Anzeigepflicht bei Leichenfund und Verdacht auf unnatürlichen Tod
„(1) Sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass jemand eines nicht natürlichen Todes gestorben ist, oder wird der Leichnam eines Unbekannten gefunden, so sind die Polizei- und Gemeindebehörden zur sofortigen Anzeige an die Staatsanwaltschaft oder an das Amtsgericht verpflichtet.
(2) Zur Bestattung ist die schriftliche Genehmigung der Staatsanwaltschaft erforderlich.“
Direkt nach einer Freitodbegleitung informieren die Freitodhelfenden deshalb die Kriminalpolizei. Diese erscheint je nach lokalen Gegebenheiten in den meisten Fällen innerhalb von 30 -90 Minuten. Die Kriminalpolizei trägt zivile Kleidung und kommt mit einem zivilen Fahrzeug.
In einigen Regionen Deutschlands ist es üblich, dass zunächst die Schutzpolizei eintrifft, bevor die Kriminalpolizei das weitere Vorgehen übernimmt.
Aufgabe der Kriminalpolizei ist es in diesen Fällen, den Leichnam für die Durchführung weiterer Ermittlungen sicherzustellen. Sie führt eine Befragung der Anwesenden nach dem Ablauf der Freitodbegleitung durch, erhält die Dokumente der Freitodhelfenden und macht eine äußere Leichenschau.
In jedem Fall ist eine Leichenschau durchzuführen
Eine Leichenschau muss bei jedem Sterbefall durchgeführt werden, auch wenn es sich um einen natürlichen Tod handelt. Die Verpflichtung zur Vornahme der Klärung der genauen Todesursache ergibt sich bei jedem Todesfall aus landesrechtlichen Gesetzen und Verordnungen.
Besteht der Verdacht, dass der Todesfall keine natürliche Ursache hatte, wird die Leichenschau von der Staatsanwaltschaft veranlasst werden. Diese wird von der Kriminalpolizei gleich vor Ort vorgenommen. Ergeben sich im Rahmen dieser Untersuchung keine Anhaltspunkte für eine von der Staatsanwaltschaft zu verfolgende Straftat, stellt die Staatsanwaltschaft nach § 159 Abs. 2 StPO einen Bestattungsschein aus.
Mit dieser behördlichen Genehmigung kann die Beerdigung der verstorbenen Person durchgeführt werden. Der Bestattungsschein muss unverzüglich von der Staatsanwaltschaft an das zuständige Standesamt übermittelt werden und auch Angaben darüber enthalten, ob eine Feuerbestattung erlaubt ist. Was bei einer Freitodbegleitung in der Regel der Fall ist.
Wann kommt der Bestatter?
Der Bestatter wird von der Kriminalpolizei informiert und kommt, wenn die Beamt:innen den Fall aufgenommen, die äußere Leichenschau vorgenommen haben und der Totenschein ausgefüllt wurde. Je nach Region wird für die Abholung und Inobhutnahme (Beschlagnahmung) des Leichnams ein Vertragsbestatter der Polizei gerufen. In diesen Fällen wird der Wunschbestatter der Verstorbenen bzw. der Familie informiert, sobald der Bestattungsschein der Staatsanwaltschaft vorliegt. Dies ist in der Regel nach wenigen Tagen der Fall.
In manchen Fällen wird aber auch gleich der Wunschbestatter akzeptiert, der dann mit der Inobhutnahme beauftragt wird und die polizeiliche Anweisung bekommt, an der Leiche zunächst keine Arbeiten oder Veränderungen vorzunehmen, bis der Bestattungsschein vorliegt.
Es ist nicht möglich, dass der Leichnam der verstorbenen Person noch längere Zeit in der Wohnung bzw. am Sterbeort verbleibt. Die Polizei verlässt den Ort erst, wenn sie die Leiche dem Bestatter übergeben hat und diesem erklärt hat, dass die Leiche zunächst beschlagnahmt ist.