Von Ulla Bonnekoh
Ein Blick in die Wahlprogramme
Am 23. Februar wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Was erwartet uns für die Suizidhilfe nach der Wahl? Seit 2020 finden in Deutschland Freitodbegleitungen (assistierter Suizid) nach den Vorgaben statt, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 26. Februar 2020 gemacht hat. Damit findet die Suizidhilfe hierzulande in einem rechtssicheren Rahmen statt. Dennoch gibt es immer wieder von unterschiedlichen Seiten den Ruf nach einem neuen Gesetz. Bisher fand sich im Deutschen Bundestag keine Mehrheit für eine gesetzliche Neuregelung der Suizidhilfe. Die abgelehnten Entwürfe hätten Sterbewilligen den Zugang durch Auflagen zum Teil erheblich erschwert.
Daher fragen wir uns, was wollen die Parteien in Fragen der Suizidhilfe nach der Bundestagswahl erreichen?
Wir haben uns die Wahlprogramme angesehen.
Von folgenden Parteien liegen bereits Wahlprogramme vor: CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP, DIE LINKE, AfD und BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht.) Nur die CDU und CSU haben ihr gemeinsames Wahlprogramm schon im Dezember verabschiedet. Die anderen Parteien werden ihre Wahlprogramme im Januar, die FDP Anfang Februar beschließen.
Wir halten diesen Beitrag auf dem aktuellen Stand und passen ihn an, wenn sich nach der Verabschiedung der Wahlprogramme noch etwas ändert.
Nur bei CDU und CSU, FDP und AfD finden sich Aussagen zum Sterben. CDU/CSU und FDP planen darüber hinaus auch eine Verbesserung der Suizidverhütung (Suizidprävention).
Aussagen in den Wahlprogrammen
CDU/CSU
„Schutz und Würde des Lebens. Wir bauen die Angebote der Hospiz- und Palliativversorgung aus und wollen so einen würdevollen Abschied aus dem Leben ermöglichen. Die aktive Sterbehilfe lehnen wir ab. Für einen wirksamen Lebensschutz beschließen wir ein umfassendes Suizidpräventionsgesetz.„
FDP
„Zu einem freien Leben gehört auch die Selbstbestimmung am Lebensende. Wir stehen fest zum Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben. Dazu gehört auch die Möglichkeit, Sterbehilfe rechtssicher in Anspruch zu nehmen. Zugleich muss der Staat jedem, der Suizidgedanken hat, die helfende Hand reichen. Die Suizidprävention wollen wir deshalb spürbar ausbauen.“
AfD
„Sterbehilfe
Die Sterbehilfe in der Form der „Tötung auf Verlangen“ ist in Deutschland aus gutem Grunde verboten. Ein „Rechtsanspruch“, wie er auch durch die Gerichte immer wieder thematisiert wird, ist strikt abzulehnen. Denn hierdurch könnte ein bestimmter Personenkreis (Ärzte, Pfleger) entgegen des individuellen Gewissens zur Vornahme entsprechender Handlungen verpflichtet werden. Stattdessen sind alle Möglichkeiten der palliativmedizinischen Behandlung zu nutzen. Mit der Sterbehilfe kann der Druck zur Selbsttötung auf schwerkranke Menschen erhöht werden.“
Eine Einordnung der Pläne zur Suizidhilfe
Ausbau von Hospiz- und Palliativversorgung sowie Suizidprävention stehen bei CDU und CSU im Vordergrund
Die Unionsparteien lehnen die „aktive Sterbehilfe“ ab. Im Allgemeinen versteht man darunter jedoch die „Tötung auf Verlangen“. Anders als bei der Suizidhilfe wird der Tod bei der „aktiven Sterbehilfe/Tötung auf Verlangen“ durch jemand anderes als durch die sterbewillige Person selbst herbeigeführt, z. B. wenn ein Arzt eine tödliche Spritze gibt. Dies ist in Deutschland laut Paragraf 216 Strafgesetzbuch verboten.
Warum schreibt man seine Ablehnung der aktiven Sterbehilfe also ins Wahlprogramm, wenn diese bereits verboten ist?
Bei der Suizidhilfe stellt eine andere Person, z. B. ein Arzt, das Mittel nur zur Verfügung. Der Sterbewillige muss es selbst anwenden, d.h. eine vom Arzt vorbereitete Infusion starten oder ein Medikament schlucken. In Deutschland ist dies ausdrücklich erlaubt.
Die Unionsparteien sind bekanntlich gegen die Suizidhilfe. 2015 wurde vor allem auch mit den Stimmen der Unionsparteien der Paragraf 217, das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung, verabschiedet. Dieses Verbot wurde 2020 für verfassungswidrig erklärt. Nun versuchen CDU und CSU die Praxis der Suizidhilfe, wie sie sich seit 2020 entwickelt hat, nach Möglichkeit wieder einzudämmen. Diese Haltung findet sich im Wahlprogramm wieder. Ist man der Auffassung, die Suizidhilfe sei überflüssig, wenn nur die Angebote der Hospize und der Palliativmedizin flächendeckend ausgebaut und für alle Sterbenden zugänglich seien? So könnte man die Aussagen im Wahlprogramm deuten, die mit keinem Wort die Suizidhilfe erwähnen.
Dazu passt, dass die Suizidprävention ausgebaut werden soll. Ein sinnvoller Plan, der aber auf eine ganz andere Zielgruppe ausgerichtet ist, nämlich auf Menschen, die in einer vorübergehenden Krise stecken und ihren Suizidwunsch nicht freiverantwortlich, wohlüberlegt und rational entwickelt haben. Es wäre fatal, würden alle Menschen, die sich freiverantwortlich für eine Freitodhilfe entschieden haben, sich gegen ihren Willen einem langwierigen Prozess der Suizidprävention unterziehen müssen.
FDP bekennt sich zum Recht auf selbstbestimmtes Sterben, zur Möglichkeit von Suizidhilfe sowie zur Suizidprävention
Die FDP bekennt sich zum Recht des selbstbestimmten Sterbens und bejaht auch die Möglichkeit, eine Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen. Gleichzeitig will sie allen, die über Suizid nachdenken, Hilfen im Rahmen der Suizidprävention zukommen lassen. Im Gegensatz zur Union erkennt die FDP das Selbstbestimmungsrecht an, unterscheidet dann aber am Ende nicht zwischen spontanen Verzweiflungssuiziden in einer vorübergehenden Krisensituation und freiverantwortlichen Freitodentscheidungen.
AfD spricht mehrere Aspekte an und dabei geht einiges durcheinander
Was meint die AfD, wenn sie zunächst feststellt, dass aktive Sterbehilfe verboten ist, um dann im nächsten Satz einen Rechtsanspruch, der angeblich durch Gerichte thematisiert wird, strikt abzulehnen? Es gibt keinen Rechtsanspruch auf aktive Sterbehilfe (§ 216 StGB), wohl aber ein Grundrecht auf selbstbestimmte Lebensbeendigung. Paragraf 217, das Verbot der Suizidhilfe ist verfassungswidrig und deswegen wurde der Paragraf 2020 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. In dem Zusammenhang wurde durch das Bundesverfassungsgericht auch festgestellt, dass es erlaubt ist, Menschen beim Suizid zu helfen, aber niemand dazu verpflichtet werden darf. Auch das ist also schon seit 2020 geklärt.
Der Ausbau der Palliativmedizin ist sehr zu begrüßen. Die Konsequenz kann aber nicht sein, dass „alle Möglichkeiten der palliativmedizinischen Behandlung zu nutzen“ sind. Dies wäre eine Verpflichtung, sich palliativmedizinisch behandeln zu lassen. Ob Palliativmedizin eine Alternative zur Suizidhilfe ist, entscheiden die Patientinnen und Patienten selbst.
Wer sich die Programme genauer anschauen möchte, kann sie hier herunterladen:
SPD
CDU/CSU
Grüne
DIE LINKE
FDP
AfD
BSW
Eine gute Übersicht, die laufend aktualisiert wird, findet man bei der Landeszentrale für politische Bildung.